Künstler

Zur Person

1939 geboren, wächst Paul Uwe Dreyer als jüngstes der fünf Kinder von Heinrich und Liese
lotte Dreyer im niedersächsischen Gaste auf, einer kleinen Gemeinde etwa 10 km westlich
von Osnabrück. Der Vater, ein Ingenieur mit Schwerpunkt Konstruktion, leitet bereits in der
zweiten Generation das dort ansässige Amazonen-Werk, ein Unternehmen, welches Land
maschinen bis heute entwickelt und sie bereits seit den 40er Jahren an unterschiedlichen
Standorten – inzwischen weltweit – fertigt. Traditionsgemäß bestimmt Heinrich Dreyer den
älteren seiner beiden Söhne, Heinz, schon früh zu seinem Nachfolger.

Doch auch Paul Uwe, der eine eher problematische Schullaufbahn durchläuft, scheint mit
einer guten Portion des schöpferischen Talents seines Vaters ausgestattet zu sein. Als sech
zehnjähriger Internatsschüler pilgert er zur ersten großen Ausstellung von Picassos Lebens
werk in Deutschland, die zwischen Oktober 1955 und April 1956 in München im Haus der
Kunst, in Köln im Rheinischen Museum sowie in Hamburg in der Kunsthalle zu sehen ist.
Picassos geniale Bilderfindungen versetzen den in solcherlei künstlerischen Dimensionen bis
dahin ahnungslosen Internatszögling in ungeahnte geistige Aufregung und wecken seinen
ästhetischen Ausdruckswillen. Dieser Ausstellungsbesuch wirkt wie eine Initialzündung auf
Paul Uwe Dreyer und wird seinen professionellen Weg und seine Haltung zu Kunst und
Künstlertum langfristig bestimmen. Eine Folge seines Besuchs dieser Picasso-Ausstellung
ist überdies, dass er aus dem immer noch von der Nazizeit geprägten Internat verwiesen wird,
als man den Katalog der Ausstellung unter seinem Kopfkissen findet. Zwei Jahre später, also
18-jährig, ist Paul Uwe Dreyer Student an der Werkkunstschule Hannover, mit zwanzig nimmt
er bereits an Ausstellungen teil, 22-jährig geht er nach Berlin, um noch zwei Semester an der
Hochschule der Künste bei Alexander Camaro zu studieren. Der Berliner Galerist Benjamin
Katz richtet dem 25-jährigen Dreyer 1964 seine erste Einzelausstellung aus und im gleichen
Jahr erhält der junge Künstler den Europa-Preis für Malerei in Ostende.

Selbstbewusst verfolgt Dreyer einen sehr persönlichen stilistischen Weg. Er ist ambitioniert,
kontaktfreudig, aufgeschlossen und erweist sich als eloquentes und agiles Mitglied der Berliner
Kunstszene in der turbulenten Atmosphäre der 1960er Jahre. Zusammen mit seinen Kollegen
Markus Lüpertz, Karl Horst Hödicke, Wolfgang Petrick, Peter Sorge, Lambert Maria Winters
berger und anderen Vertretern der Selbsthilfe- bzw. Produzentengalerie Großgörschen 35 setzt
er sich gegen die gängigen Kunstmarktstrategien und die Ankaufspolitik der Museen in Berlin
zur Wehr. Auf der Grundlage dieser Gegenwehr entsteht schließlich 1969 der Neue Berliner
Kunstverein als eine offene und demokratische Ausstellungsplattform für die junge und pro
gressive Künstlerschaft West-Berlins.

Bemerkenswert gut verkaufen sich Paul Uwe Dreyers Bilder an die Berliner Sammlerschaft
und mit seinem Eintritt 1970 in den Deutschen Künstlerbund mit Sitz in Berlin verstärkt sich
sein kunstpolitisches Engagement zusehends. Zusätzlich zu seinen Stipendien von Seiten
der Berliner Akademie der Künste für die Villa Serpentara in Olevano Romana und für die Villa
Massimo in Rom, erfährt der 33-Jährige eine weitere Würdigung seiner künstlerischen Position,
nämlich in seinem Ruf an die Stuttgarter Kunstakademie, wo er zwei Jahre später zum Professor
ernannt wird. Gegenüber seinen Studenten ist er streng und energisch hinsichtlich dessen,
was er vermitteln will. Er fordert Diskussion, plausible Konzepte und Stellungnahmen von
seinen Schülern. Gleichzeitig zeigt er sich freundschaftlich, sprüht vor Witz und Charme und
animiert als begeisterter Fußballfan des öfteren Kollegen und Studierende zu gemeinsamen
Fußball-Kicks auf dem Campus.

Auch nach Dreyers Übersiedlung von Berlin nach Stuttgart hält er seine Verbindung mit Berlin
lebendig, insbesondere was seine kunstpolitischen Aktivitäten u.a. im Deutschen Künstlerbund
anbelangt. Mit Gleichgesinnten kämpft er an den maßgeblichen Stellen für soziale und wirt
schaftliche Sicherheiten der Künstler, wie beispielsweise als Vertreter der Verwertungsgesell
schaft Bild-Kunst, wo er seit 1980 als Mitglied im Aufsichtsrat die Gründung der Ausgleichs
vereinigung Kunst mit vorantreibt.

Paul Uwe Dreyers Berufsethos macht ihn zum unermüdlichen Streiter in Sachen Kunst. Seine
Reden, sein Habitus, seine konsequente Haltung sind gefragt – aber auch gefürchtet. Von
seiner Aufrichtigkeit, Geradlinigkeit und Kompromisslosigkeit lässt er sich nicht abbringen.
Daher zählt Dreyer für Kollegen, Sammler, Politiker und Institutionsvorsteher eher zum
Menschenschlag, den man „unbequem“ nennt, was er in vielerlei Hinsicht auch immer wieder
teuer bezahlen muss. Doch sind Charaktere wie Dreyer nichtsdestotrotz äußerst gefragt, vor
allem dort, wo etwas bewegt werden soll. Nicht von ungefähr hat er von 1987 bis 1991 das
Rektoramt der Stuttgarter Kunstakademie inne und wird 1992 für fünf Jahre zum Ersten Vor
sitzenden des Deutschen Künstlerbunds gewählt. 1998 tritt er bis 2004 seine zweite Legislatur
periode als Rektor der Stuttgarter Kunstakademie an, in der er sich insbesondere um die
Internationalisierung seiner Hochschule bemüht, mit großem Einsatz die Zusammenarbeit
mit Osteuropa herstellt und über viele Jahre wachsen lässt.

Für sein lebenslanges, vielfältiges Engagement im Bereich der Kunst, regional sowie inter
national, ob als Vertreter der Künstlerschaft im Allgemeinen und Besonderen oder im Rahmen
der Hochschulpolitik, wird Paul Uwe Dreyer 1999 das Bundesverdienstkreuz am Bande der
Bundesrepublik Deutschland und 2005 die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württem
berg verliehen. Darüber hinaus erhält er ebenfalls 1999 die Ehrendoktorwürde der Akademie
für Kunst und Wissenschaft in Vilnius, Litauen, 2003 den Status Ehrensenator der Kunstuni
versität Bukarest, Rumänien, sowie 2004 die Jahrhundertfeier-Ehrenmedaille der Akademie
der Schönen Künste in Warschau, Polen.

Nach seinem Tod 2008 wird Paul Uwe Dreyer mit Gewissheit jedem, der mit ihm irgendwann
zu tun hatte, als eine Persönlichkeit, an der man nicht vorbeikam, in Erinnerung bleiben.